Medienmitteilung

smartvote-Umfrage: Grosse Mehrheit für ein Verbot der Gesichtserkennung

Rund 80 Prozent der Personen, die für die eidgenössischen Wahlen kandidieren, sind für ein Verbot der automatischen Gesichtserkennung im öffentlichen Raum. Die Mehrheit in allen Parteien ausser der SVP lehnt diese Form der Massenüberwachung ab. Das Bündnis «Grundrechte schützen – Gesichtserkennung stoppen» begrüsst das eindeutige Resultat der smartvote-Umfrage.

Estelle Pannatier
Policy & Advocacy Managerin

«Wir freuen uns, dass die grosse Mehrheit der Kandidierenden die automatische Gesichtserkennung im öffentlichen Raum verbieten will», erklärt Mia Gujer von der Digitalen Gesellschaft. «Denn die biometrische Massenüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum ist eine akute Bedrohung für die Menschenrechte. Das eindrückliche Resultat macht Hoffnung, dass das neue Parlament ein Verbot erlassen wird.»

«Soll die automatische Gesichtserkennung im öffentlichen Raum verboten werden?» lautet eine der smartvote-Fragen an die Kandidierenden bei den eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober 2023. Die Resultate sind eindeutig: Rund 80 Prozent der Kandidierenden, die smartvote ausgefüllt haben, beantworteten die Frage mit Ja oder eher Ja (77.9% Nationalrat und 83.9% Ständerat). Klar für ein Verbot (Antwort: Ja) sind über 52 Prozent der Kandidierenden (Nationalrat 52.7%, Ständerat 55.2%), wobei die Zustimmung bei den Frauen noch höher ist als bei den Männern.

Auch die aktuellen Ratsmitglieder, die wieder kandidieren und smartvote ausgefüllt haben, sind klar für ein Verbot: 77.4% Nationalrat und 75.8% Ständerat (Antworten Ja und eher Ja). Fast alle Parteien sind für ein Verbot: von den Grünen mit über 90 Prozent Zustimmung bis zu FDP und Mitte mit je über 60 Prozent. Noch deutlicher ist die Zustimmung für ein Verbot bei den Jungparteien. Nur die SVP-Kandidierenden lehnen ein Verbot knapp ab, aber auch hier sind noch fast die Hälfte für ein Verbot (48.5%).

Nationales Verbot für biometrische Massenüberwachung

«Das Parlament muss möglichst bald ein nationales Verbot der biometrischen Massenüberwachung in Angriff nehmen», erklärt Patrick Walder von Amnesty International Schweiz. «Denn obwohl die politische Mehrheit offenbar eindeutig gegen die automatische Gesichtserkennung eingestellt ist, breiten sich vergleichbare Überwachungsmassnahmen in der Schweiz zurzeit schnell aus.»

Im «Atlas der Automatisierung» führt AlgorithmWatch CH mehrere Beispiele von biometrischen Erkennungssystemen auf, die in der Schweiz eingesetzt werden. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) wird ab 2026 das automatisierte Fingerabdruckidentifikationssystem (AFIS) zum Abgleich von Finger- und Handflächenabdrücken erweitern mit einem Modul zur Gesichtserkennung. Über eine Million Gesichtsbilder der Polizeidatenbank, die sowohl Bilder von Verdächtigen als auch Bilder aller registrierten Asylbewerber*innen enthält, sollen dazu abrufbar werden.

Schutz für heikle Personendaten anstatt gefährlicher Experimente

«Das Fedpol und die kantonalen Polizeibehörden testen mit neuen biometrischen Erkennungssystemen die Grenzen des rechtlich Zulässigen aus und bringen wichtige Grundsätze in Gefahr», erklärt Estelle Pannatier, Policy & Advocacy Managerin bei AlgorithmWatch CH. «Die biometrische Daten gehören laut Datenschutzgesetz zu den besonders schützenswerten Personendaten. Anstatt Experimente mit unseren heiklen Daten zu machen, soll jetzt eine klare rote Linie gegen die biometrische Massenüberwachung gesetzt werden.»

Problematisch ist der Einsatz biometrischer Erkennungssysteme, wenn biometrische Daten (wie z.B. Gesicht, Augen oder Stimme) einer Person mit einer Masse von Daten, die in einer Datenbank gespeichert sind, verglichen werden, um sie so zu identifizieren. Bereits das Vorhandensein solcher Infrastruktur im öffentlich zugänglichen Raum kann Menschen davon abhalten, sich frei zu bewegen und etwa an einer Demonstration teilzunehmen – und damit zentrale Grundrechte, wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit unverhältnismässig beschneiden. Darüber hinaus können biometrische Erkennungssysteme bestehende Diskriminierungen verstärken sowie zu neuen Diskriminierungen führen. So hat sich gezeigt, dass sie beispielsweise Menschen dunkler Hautfarbe oder Frauen weniger gut erkennen.

Erfolge der Kampagne gegen Gesichtserkennung

Die Organisationen AlgorithmWatch CH, Amnesty International und Digitale Gesellschaft starteten im November 2021 eine gemeinsame Kampagne für ein Verbot der biometrischen Massenüberwachung im öffentlichen Raum. Zurzeit ist in acht Städten und Kantonen ein solches Verbot beschlossen oder in Diskussion.

Im Frühling 2023 intervenierten die Organisationen erfolgreich gegen die von den SBB geplante Überwachung an Bahnhöfen. Die SBB haben ihre Ausschreibung aufgrund des zivilgesellschaftlichen Drucks angepasst und die Option der biometrischen Kategorisierung gestrichen.

Auch auf internationaler Ebene gibt es Widerstand gegen biometrische Massenüberwachung. In einem Statement, das am 26. September 2023 veröffentlicht wurde, fordern 180 Organisationen und Expert*innen «die Polizei, andere staatliche Behörden und private Unternehmen auf, den Einsatz von Gesichtserkennung zur Überwachung öffentlich zugänglicher Räume und zur Überwachung von Menschen im Migrations- oder Asylkontext sofort einzustellen».

Weitere Grafiken der smartvote-Resultate




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