Reclaim Your Face – zivilgesellschaftliche Initiative für ein Verbot von biometrischer Massenüberwachung
Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen aus ganz Europa, darunter AlgorithmWatch und AlgorithmWatch Schweiz, haben sich zu einer Koalition gegen Massenüberwachung zusammengeschlossen. Seit Februar 2021 fordern sie zudem in einer EU-Bürgerinitiative das Verbot von biometrischen Überwachungstechnologien, wie z.B. dem Einsatz von automatischer Gesichtserkennung an öffentlichen Plätzen.
Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen aus ganz Europa, darunter AlgorithmWatch und AlgorithmWatch Schweiz, haben sich zu einer Koalition gegen Massenüberwachung zusammengeschlossen. Seit Februar 2021 fordern sie zudem in einer EU-Bürgerinitiative das Verbot von biometrischen Überwachungstechnologien, wie z.B. dem Einsatz von automatischer Gesichtserkennung an öffentlichen Plätzen.
Der beinahe flächendeckende Einsatz von biometrischen Überwachungstechnologien in Europa, darunter Gesichtserkennung, ist eines der zentralen Ergebnisse des Automating Society Reports 2020. Hierbei handelt es sich ohne Zweifel um die neueste, rasanteste und besorgniserregendste Entwicklung von automatisierten Entscheidungssystemen in Europa.
Biometrische Massenüberwachung bezeichnet das unterschiedslose oder stichprobenartige Beobachten, Verfolgen und sonstige Verarbeiten von biometrischen Daten von Individuen oder Gruppen. Unter der Europäischen Datenschutzverordnung sind biometrische Daten besonders schützenswert, da sie an die Identität von Einzelnen geknüpft sind, und durch sie persönliche und intime Informationen abgeleitet werden können. Im revidierten schweizerischen Datenschutzgesetz, das 2022 in Kraft tritt, gelten biometrische Daten ebenfalls als besonders schützenswert. Der Einsatz solcher Technologien im öffentlichen Raum (als Massenüberwachung) oder in Situationen von starken Machtgefällen (z.B. am Arbeitsplatz), stellt eine eine Gefahr für unsere Grundrechte dar. Es kann das Wahrnehmen von Grundrechten, wie die Meinungsäusserungs- oder Versammlungsfreiheit, einschränken und Profiling basierend auf solchen Daten kann zu Diskriminierung führen.
Gesichtserkennung, die häufigste Form von biometrischer Überwachung, wird inzwischen mit alarmierender Geschwindigkeit in ganz Europa getestet und eingesetzt. Sie ist mittlerweile in Schulen und Stadien, an Flughäfen, selbst in Spielcasinos zu finden. Sie kommt ebenfalls für die vorhersagende Polizeiarbeit (Predictive Policing) zum Einsatz, sowie, im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie, zur Durchsetzung von Social Distancing, und zwar sowohl in Form von Apps wie auch durch „smarte“ Videoüberwachung. In der Schweiz werden biometrische Überwachungssysteme von einigen kantonalen Polizeibehörden bei der Strafverfolgung eingesetzt. Ausserdem wird vermutet, dass die berüchtigte Gesichter-Suchmaschine ClearviewAI Gesichter von in der Schweiz lebenden Menschen rechtswidrig massenhaft im Internet gesammelt hat, um ihre Datenbank zu füttern.
Darüber hinaus kommen ständig neue Einsatzgebiete hinzu, obwohl die Nachweise für ihre mangelnde Genauigkeit zunehmen, und obwohl für Systeme, die sogenannte Emotionserkennung oder Verhaltensvorhersagen versprechen, die wissenschaftliche Grundlage fehlt. Gibt es Widerstand dagegen, versuchen Verfechter·innen dieser Systeme ganz einfach, ihn zu umgehen. Stellt man sich diesem Trend nicht entgegen, besteht die Gefahr, dass die Vorstellung, ununterbrochen – und verdeckt – beobachtet zu werden, zur Normalität wird, wodurch sich ein neuer Status quo von flächendeckender Massenüberwachung verfestigt.
Die Reclaim Your Face-Kampagne bringt nun die Stimmen der europäischen Bevölkerung in die Diskussion um biometrische Überwachungstechnologien. Wir hinterfragen die Verwendung dieser Daten und schlagen Alarm bei den Auswirkungen dieser Technologien auf unsere Grundfreiheiten. Seit Februar 2021 rufen wir zudem im Rahmen einer Europäischen Bürgerinitiative, die allen EU-Bürger·innen offensteht, die Europäische Kommission dazu auf, diese Praktiken zu verbieten. Die Kommission muss jetzt handeln und einen Rechtsakt vorschlagen, der biometrische Massenüberwachung gezielt und ausdrücklich verbietet. Insbesondere fordern wir ein Verbot von unterschiedsloser oder stichprobenartiger Verwendung biometrischer Daten, die zu einer unrechtmässigen Massenüberwachung führen kann. Ansonsten können und werden Regierungen, Sicherheitsbehörden und Unternehmen Gesichtserkennung gegen jede·n von uns einsetzen - basierend darauf wer wir sind und wie wir aussehen.
Falls Sie EU-Bürger·in sind:
Falls Sie nicht EU-Bürger·in sind: Auch in der Schweiz sind wir aktiv und setzen uns für ein Verbot dieser Praktiken ein. Folgen Sie uns auf Twitter, um informiert zu bleiben.
Lesen Sie mehr zu unserer Policy & Advocacy Arbeit zu biometrischen Erkennungssystemen.