Medienmitteilung

Drama um KI-Verordnung in der EU: Illegitime Absprachen, verantwortungslose Verhandlungszeiten und unakzeptabler Druck

Inmitten eines Verhandlungsmarathons über den AI Act, die geplante Verordnung zu Künstlicher Intelligenz der EU, legen die EU-Mitgliedstaaten dem EU-Parlament die Daumenschrauben an, um Interessen der nationalen Sicherheit und der Industrie über den Schutz der Rechte der Menschen zu stellen. Nach über 20 Stunden Verhandlungen setzten sich übermüdete Gesetzgeber unter Schlafentzug heute gegenseitig unter Druck, um eine inakzeptable Einigung zu erzielen – zu einigen der grundlegendsten Auswirkungen, die KI auf Mensch und Gesellschaft haben kann.

Foto : Thierry Breton/Twitter

Angela Müller
Dr. Angela Müller
Leiterin AlgorithmWatch CH | Head of Policy & Advocacy

KI, die eingesetzt wird, um Menschen nach ihren sexuellen Vorlieben zu kategorisieren, KI-Systeme, die behaupten, die Emotionen von Asylbewerber*innen erkennen zu können, KI, die nachträglich die Gesichter von Demonstrierenden im öffentlichen Raum erkennt – offenbar schrecken die EU-Mitgliedstaaten nicht davor zurück, den Einsatz einiger der törichtesten Systeme, die man sich vorstellen kann, zu ermöglichen und zu fördern. Das EU-Parlament hat klar Stellung bezogen, dass solche Systeme nicht mit einem der Hauptziele der KI-Verordnung – dem Schutz der Grundrechte – vereinbar sind und daher verboten gehören. Die Mitgliedstaaten verfolgen jedoch allem Anschein nach eine andere Agenda: Sie üben derzeit enormen Druck auf das Parlament aus, um den Einsatz solcher KI-Systeme zu legitimieren.

«Die Mitglieder des EU-Parlaments haben einen Auftrag zu erfüllen: Menschen aus ganz Europa haben sie gewählt, um ihre Rechte und Interessen zu schützen. Es wäre inakzeptabel, hinter dem Rücken der Bevölkerung einem Deal zuzustimmen, der die Voraussetzungen für einen weit verbreiteten Einsatz von KI-Systemen in höchst sensiblen Bereichen schafft. Diese jüngsten Entwicklungen sind auch ein beunruhigendes Signal für die zukünftige Regulierung von KI und Algorithmen in der Schweiz. Denn: Die EU setzt damit einen Standard, der auch die Diskussionen hierzulande wesentlich beeinflussen wird.»

Angela Müller, Leiterin AlgorithmWatch CH und Head of Policy & Advocacy AlgorithmWatch

Dazu kommt: Diese Entwicklungen folgen einem 20-stündigen Verhandlungsmarathon, der nach einem Nachmittag, einer Nacht und einem Vormittag alle Anwesenden in einem Zustand zurückliess, in dem man keine Entscheidungen über Gesetze treffen sollte – geschweige denn über Gesetze, die die Menschen vor einigen der dramatischsten Auswirkungen schützen sollen, die KI-Systeme auf sie haben können. Morgen früh werden die Verhandlungen wieder aufgenommen und bis dahin liegt es an der Zivilgesellschaft, die Mitglieder des Europäischen Parlaments an ihre Verantwortung zu erinnern, weiterhin für unsere Rechte einzutreten – und Verhandlungsbedingungen einzufordern, die dies auch tatsächlich ermöglichen.