Positionspapier

Algorithmen am Arbeitsplatz: Mitarbeitende jetzt einbeziehen

Vermehrt setzen Arbeitgeber algorithmische Systeme am Arbeitsplatz ein. Die Mitarbeitenden können jedoch selten mitbestimmen, wenn es darum geht, wo und wie diese Systeme eingesetzt werden. Der gesetzliche Rahmen reicht aktuell nicht aus, um die Beteiligung der Mitarbeitenden bei der Digitalisierung am Arbeitsplatz sicherzustellen. Wir zeigen auf Basis eines neuen Rechtsgutachtens auf, welche politischen Massnahmen es braucht, um die Rechte der Mitarbeitenden zu stärken.

Bettina Dürr
Bettina Dürr
Policy Managerin & Researcherin

Die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden ist in der Schweiz gesetzlich geregelt. Dies beinhaltet auch, wann und in welcher Form Arbeitgeber die Mitarbeitenden informieren oder konsultieren sollten, wenn für die Mitarbeitende relevante Änderungen am Arbeitsplatz vorgenommen werden. Beim immer stärker aufkommenden Einsatz von algorithmischen Systemen am Arbeitsplatz kommt das Gesetz jedoch an seine Grenzen. In People Analytics Systemen werden Mitarbeitendendaten verwendet, um beispielsweise Kündigungen voraussagen zu können. Wie ein von AlgorithmWatch CH und der Gewerkschaft syndicom in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Universität St. Gallen zeigt, gibt es diverse Lücken und Verbesserungspotenzial. Basierend darauf haben AlgorithmWatch CH und syndicom ein Positionspapier mit Forderungen verfasst, wie die Beteiligung der Mitarbeitenden in der Schweiz gestärkt werden kann. Die wichtigsten Aspekte sind nachfolgend zusammengefasst.

Zu welchen Problemen führt eine ungenügende Beteiligung der Mitarbeitenden?

Der vermehrte Einsatz von algorithmischen Systemen am Arbeitsplatz bringt diverse Risiken mit sich:

Wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden beim Einsatz algorithmischer Systeme nicht einbeziehen, kann dies zu weiteren Problemen führen:

Warum reicht der jetzige Rechtsrahmen nicht aus, um die Beteiligung der Mitarbeitenden sicherzustellen?

Die Beteiligung der Mitarbeitenden am Arbeitsplatz in der Schweiz zeigt in der Praxis verschiedene Lücken auf, gerade wenn es um den Einsatz von algorithmischen Systemen geht:

Hinzukommt, dass die Probleme, die sich beim Einsatz von algorithmischen Systemen stellen, oft kollektiv und nicht nur individuell sind. Jedoch fehlt den Mitarbeitenden oft die Möglichkeit, sich als Kollektiv einzubringen, gerade wenn es um die Nutzung aggregierter Mitarbeitendendaten geht.

Wie kann die Beteiligung am Arbeitsplatz gestärkt werden?

Langfristig muss die Verantwortung der Unternehmen beim Einsatz von algorithmischen Systemen auf gesetzlicher Ebene verankert werden. Die Verantwortung der Arbeitgeber gegenüber ihren Mitarbeitenden bildet ein wichtiger Teil davon. Beteiligung der Mitarbeitenden ist dabei nur der erste Schritt: Wir brauchen Rahmenbedingungen, den nachhaltigen, sozial verantwortlichen und gerechten Einsatz von algorithmischen Systemen am Arbeitsplatz sicherzustellen.

Bis es eine Lösung auf Gesetzesebene gibt, können alle Mitarbeitenden in der Schweiz einfordern, dass sie bei wichtigen Entscheidungen, die sie und ihre Arbeit betreffen, einbezogen werden. Auch die Arbeitgeber müssen nicht auf ein Gesetz warten, welches sie dazu verpflichtet, ihre Mitarbeitenden einzubeziehen – im Sinne eines nachhaltigen und sinnvollen Einsatzes von Ressourcen hilft es auch ihnen, wenn bei Digitalisierungsprozessen die Mitarbeitenden mitbestimmen können. Die Gewerkschaften werden sich auch ausserhalb des Gesetzgebungsprozesses dafür einsetzen, dass die Rechte der Mitarbeitenden in diesem Bereich gestärkt werden.

Und was fordern wir innerhalb des Gesetzgebungsprozesses? Mitarbeitende sollen sich laufend bei allen relevanten Transformationsprozessen und in allen Phasen eines algorithmischen Systems einbringen können – bei der Planung, Entwicklung, Einführung sowie beim laufenden Einsatz.

Erstens soll eine stärkere Beteiligung der Mitarbeitenden helfen, die oben genannten Risiken zu vermeiden. Zweitens soll sie sicherstellen, dass Mitarbeitende sich auch bei zukünftigen Transformationen einbringen können.

Wir fordern deshalb konkret:

  1. Das Mitspracherecht der Mitarbeitenden muss ausgeweitet werden. So sollen den Mitarbeitenden und ihren Vertretungen nicht nur bei Anwendungen algorithmischer Systeme, die unmittelbar den Gesundheitsschutz betreffen, sondern auch bei anderen Anwendungsbereichen, die für Mitarbeitende potenziell grosse Risiken mit sich bringen, besondere Mitwirkungsrechte zustehen.
  2. Die Informationsrechte müssen gestärkt werden. Es soll beispielsweise klar festgelegt werden, welche Informationen in welcher Form die Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden zur Verfügung stellen müssen. Der Zugang zu den relevanten Informationen bildet die Basis für eine effektive Mitsprache der Mitarbeitenden.
  3. Die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten soll die Rechte der Mitarbeitenden besser schützen. Wenn es keine Sanktionen gibt, ist es sehr schwierig für Mitarbeitende, ihre Rechte einzufordern.
  4. Mitarbeitende sollen sich auf externe Expert*innen berufen können. Wenn Mitarbeitende auf spezifisches technisches, juristisches oder ethisches Fachwissen angewiesen sind, um ihre Beteiligungsrechte wahrzunehmen, sollen sie auf externe Fachpersonen zugreifen können.
  5. Ein kollektives und effektives Klagerecht soll dafür sorgen, dass die betroffenen Mitarbeitenden sich kollektiv für ihre Rechte einsetzen können, und dass auch ihre Arbeitnehmendenverbände (also etwa Gewerkschaften) dies tun können. Ein Ansatz wäre, der Arbeitnehmendenvertretung in Angelegenheiten aus dem Mitwirkungsgesetz die Partei- und Prozessfähigkeit zukommen zu lassen, so dass sie im Namen von Gruppen von Mitarbeitenden kollektive Beschwerden einreichen und kollektive Rechtsstreitigkeiten führen könnte.
  6. Die Bestimmungen des Gesundheitsschutzes müssen präzisiert und allenfalls ausgeweitet werden. Algorithmische Systeme, die einen direkten Bezug zum Gesundheitsschutz aufweisen, unterliegen heute besonderen Mitwirkungspflichten. Aktuell ist nicht abschliessend geklärt, ob alle algorithmischen Systeme diesen direkten Bezug zum Arbeitnehmendenschutz haben und entsprechend der besonderen Mitwirkung unterliegen sollten.

Wir erachten die Umsetzung dieser Forderungen als einen ersten, wichtigen Schritt, den Nutzen algorithmischer Systeme am Arbeitsplatz gerecht zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebern zu verteilen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Gesetzgeber*innen dieses Thema in der nationalen Politik aufnehmen und eine Lösung anstossen. Ganz im Sinne der Forderungen soll der Bundesrat die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände eng in die Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs miteinbeziehen.

Die Forderungen sind in unserem Positionspapier mit weiteren Ausführungen auffindbar.

Entstanden ist dieses Positionspapier im Rahmen des Projekts Analytics for the People? Was Algorithmen am Arbeitsplatz für Rechte und Mitbestimmung bedeuten.

Projektpartner:

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