
Medienmitteilung
Bundesrat knickt ein vor Trump, Musk & Co.
Der Bundesrat hat heute entschieden, den seit über einem Jahr angekündigten Gesetzesentwurf zur Regulierung von Social Media und Suchmaschinen weiter hinauszuzögern. Diese wiederholte Verzögerung erfolgt vor dem derzeitigen geopolitischen Hintergrund. Der Bundesrat scheint auf die unberechenbare Karte Trump zu setzen. Er zementiert damit unsere Abhängigkeit von US-Techkonzernen, statt unsere Demokratie vor ihrer enormen Konzentration an Markt- und Meinungsmacht zu schützen.

US-Präsident Trump und Vizepräsident J.D. Vance haben es unmissverständlich klar gemacht: Regulierungen aus anderen Staaten, die US-Unternehmen betreffen, sieht die Trump-Administration als unfaire Praktiken und Erpressung an. Diese Botschaft scheint auch beim Bundesrat angekommen zu sein: Er wagt es trotz Absichtserklärung seit über einem Jahr nicht, Regeln zu setzen für Google, Meta oder X, wenn sie mit ihren Online-Plattformen und Algorithmen die Meinungsbildung in unserer direkten Demokratie wesentlich beeinflussen.
«Statt in die staatliche Handlungsfähigkeit und die digitale Souveränität der Schweiz zu investieren, unsere Demokratie zu schützen und Abhängigkeiten von US-Techkonzernen zu reduzieren, zementiert der Bundesrat mit seinem Abwarten genau diese Abhängigkeiten weiter. Er fährt damit nicht nur eine enorm riskante Verzögerungstaktik, indem er auf die unberechenbare Karte Trump zu setzen scheint. Er stellt damit auch das Interesse der Schweizer Bevölkerung an informierter Meinungsbildung, verlässlicher Information und einer konstruktiven öffentlichen Debatte hinten an.»
Angela Müller, Geschäftsleiterin AlgorithmWatch CH
Einfluss von Social Media und Suchmaschinen auf Meinungsbildung und Demokratie
Viele Menschen beschaffen sich relevante Informationen zur Meinungsbildung über Online-Suchmaschinen, in die zunehmend auch KI-Chatbots integriert werden. Ein wesentlicher Teil der öffentlichen Debatte spielt sich auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, X, LinkedIn, YouTube oder TikTok ab. Deren Algorithmen sollen die Nutzenden möglichst lange online halten, um so den Profit der Plattform-Anbieter zu maximieren. Das kann dazu führen, dass aufstachelnde, polarisierende oder demokratieschädliche Inhalte verstärkt verbreitet werden. Die Regeln, die auf diesen Plattformen gelten, sind nicht verlässlich und nachvollziehbar, sondern oft willkürlich und abhängig von den Launen, Geschäftsinteressen und politischen Zwängen ihrer Inhaberschaft, wie etwa im Falle von X oder den Meta-Plattformen eindrücklich unter Beweis gestellt wird.
«Die Intransparenz, die fehlende Rechenschaftspflicht und die Konzentration von Markt- und Meinungsmacht bei wenigen milliardenschweren multinationalen Technologieunternehmen stellen eine Herausforderung dar – für unsere öffentliche Debatte, für den Zugang zu verlässlicher Information und damit für eine informierte Meinungsbildung. Der Bundesrat hat sich jedoch entschieden, weiter beide Augen zuzudrücken. Mit seiner Verzögerung nimmt er es in Kauf, dass die inzwischen mächtigsten Unternehmen der Welt weiterhin weitgehend unbehelligt die informierte Meinungsbildung torpedieren, um damit ihren Profit zu maximieren – auf Kosten der Gesellschaft.»
Estelle Pannatier, Policy Managerin bei AlgorithmWatch CH
Klares Bekenntnis und Fahrplan für eine konstruktive öffentliche Debatte gefordert
Der Bundesrat ist nun gefordert, unmissverständlich für unsere Demokratie einzustehen und einen klaren Fahrplan vorzulegen, wie er gedenkt, die Anbieter von Online-Plattformen zu regulieren. Die zivilgesellschaftliche Organisation AlgorithmWatch CH zeigt in einem umfassenden Positionspapier auf, was notwendig wäre, um eine konstruktive öffentliche Debatte zu ermöglichen, die …
- … förderlich ist für die Gesellschaft und die Demokratie.
- … positiv ist für die Einzelnen und ihre Grundrechte.
- … fair ist für alle.
Diese Massnahmen stellen wichtige Schritte dar, um Social Media wieder stärker zu einem Ort zu machen, an dem ein konstruktiver Dialog stattfinden kann. Ergänzend zu einer Plattformregulierung braucht es jedoch auch weitere Massnahmen, um Debattenräume zu gestalten, die nicht von der Machtkonzentration von Tech-Unternehmen geprägt sind: Wir müssen der Marktmacht der Plattformunternehmen durch wettbewerbsrechtliche Massnahmen begegnen; Abhängigkeiten reduzieren und die staatliche Handlungsfähigkeit durch Investitionen in Infrastruktur, Forschung und öffentliche Güter stärken; die interdisziplinäre Forschung zu Online-Plattformen fördern; die Medien- und Demokratiekompetenz in der Bevölkerung stärken; einen starken Journalismus ermöglichen; und vor allem demokratieförderliche Alternativen zu den jetzigen, auf Profitmaximierung ausgerichteten Plattformen entwickeln.
«Social-Media-Plattformen, die es einfach machen, zu Hass aufzustacheln, oder KI-Chatbots auf Suchmaschinen, die unzuverlässige Antworten ausspucken, zeigen: Hier läuft etwas falsch. In unserer Demokratie brauchen wir eine konstruktive öffentliche Debatte, die uns Zugang zu verlässlicher Information gibt, den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt und dabei die Grundrechte von Einzelpersonen achtet. Der Bundesrat ist jetzt gefordert, unmissverständlich dafür einzustehen und einen klaren Fahrplan zur Plattformregulierung vorzulegen.»
Angela Müller, Geschäftsleiterin AlgorithmWatch CH
Signal aus Zivilgesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft
AlgorithmWatch CH thematisiert die Auswirkungen von Online-Plattformen auf die Demokratie heute an einer Veranstaltung an der Universität Zürich mit Vertreter*innen aus dem Bundesamt für Kommunikation BAKOM und KI-Expert*innen, in Kollaboration mit der Universität Zürich, der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften und dem Dezentrum. Die Organisation wird gemeinsam mit wichtigen Stimmen aus der Politik, der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft den Druck auf den Bundesrat in den nächsten Wochen aufrecht erhalten – und ein klares Bekenntnis einfordern, dass er bereit und willens ist, der Schweizer Bevölkerung online eine konstruktive öffentliche Debatte zu ermöglichen.