Leitfaden
Regulierung von Online-Plattformen: Was tut die Schweiz?
Während die Europäische Union (EU) bereits beschlossen hat, Online-Plattformen zu regulieren, ist die Schweiz noch zögerlich, diese Arbeit in Angriff zu nehmen. Wir beleuchten in diesem Artikel die aktuellen politischen Entwicklungen.
Grosse private Online-Plattformen wie Facebook, Twitter und andere Social Media-Plattformen sind nach wie vor eine Blackbox. Mit Blick auf ihre gesellschaftliche Bedeutung hat die EU beschlossen, Online-Plattformen mittels dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) zu regulieren. In der Schweiz befindet sich der Regulierungsprozess noch in den Anfängen.
Warum braucht die Schweiz eine Plattformregulierung?
Ein Grossteil unserer demokratischen Öffentlichkeit, und mit ihr ein beträchtlicher Teil der politischen Diskussion und der sozialen Interaktion, findet heute auf Social Media-Plattformen statt. Auf individueller Ebene und als Nutzer*innen wissen wir nur bedingt, warum der Algorithmus uns jene Inhalte empfiehlt, die wir sehen, aufgrund welcher Kriterien Inhalte moderiert (d.h. etwa gelöscht) werden und ob dies auf diskriminierungsfreie Weise geschieht. Auf gesellschaftlicher Ebene können wir nicht umfassend einschätzen, welchen Einfluss Plattformen auf unsere öffentliche Meinungsbildung ausüben. Wir haben bisher insbesondere anekdotische Einblicke dazu, wie Plattformen Inhalte steuern, befördern und löschen – und somit keine systematische Faktenbasis. Externe Forschung dazu (und den dafür notwendigen Datenzugang für Forschende) ermöglichen Social Media-Plattformen nur bedingt oder verhindern diese teilweise sogar aktiv.
Was sind die aktuellen politischen Entwicklungen?
2024
- Im Februar 2024 tritt der DSA in der EU vollständig in Kraft.
- Die Veröffentlichung der Vernehmlassungsvorlage – d.h. des Gesetzesentwurfes –zur Regulierung von Online-Plattformen erfolgt nicht wie ursprünglich angekündigt im März, sondern wird verschoben und im Dezember 2024 erwartet.
- Ebenfalls für Dezember 2024 wird eine Auslegeordnung des Bundesrates zu möglichen Regulierungsansätzen rund um Künstliche Intelligenz erwartet.
- Die KI-Konvention des Europarates wurde im Mai 2024 verabschiedet, die nebst Bestimmungen zum Schutz von Menschenrechten auch eine zum Schutz der Demokratie und der Teilhabe an der demokratischen Debatte enthält. Die Schweiz hat die Konvention bisher nicht unterzeichnet.
2023
- Der Bundesrat hat Anfangs April das Bundesamt für Kommunikation BAKOM beauftragt, bis März 2024 eine Vernehmlassungsvorlage zur Regulierung von Online-Plattformen auszuarbeiten.
- Zwei Motionen (23.3068 & 23.3069), die die Umsetzung der Ziele der EU-Gesetze zur Regulierung von Online-Plattformen, des Digital Services Act (DSA) und des Digital Markets Act (DMA) fordern, wurden im März 2023 im Nationalrat eingereicht und sind zur Behandlung in Parlament hängig.
2022
- Auf EU-Ebene sind der DSA und der DMA im November 2022 in Kraft getreten – bis sie vollständig anwendbar sind, dauert es aber noch etwas. Der DSA legt u.a. fest, dass die Plattformen über die Funktionsweise ihrer algorithmischen Systeme Auskunft geben müssen, Datenzugang gewähren und Risikoeinschätzungen sowie Audits vornehmen müssen. AlgorithmWatch hat die Entwicklung des DSA eng begleitet. Unser Leitfaden stellt den DSA, den Prozess dahinter sowie die nächsten Schritte vor.
- In der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats fand im Februar 2022 eine Anhörung zu Online-Plattformen und ihrem Einfluss auf die Demokratie statt. AlgorithmWatch CH war dazu eingeladen, unsere Empfehlungen im Rahmen eines Experteninputs zu erläutern.
2021
- Im Auftrag des Bundesrats hat das Bundesamt für Kommunikation BAKOM im November 2021 einen Bericht zur Tätigkeit von Plattformbetreibern im Bereich der öffentlichen Kommunikation und der Meinungs- und Willensbildung verfasst. Der Bundesrat hat auf Basis des Berichts des BAKOM das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK beauftragt, ihm bis Ende 2022 in einem Aussprachepapier aufzuzeigen, ob und wie Plattformen in der Schweiz reguliert werden sollen.
Liste unserer Veröffentlichungen zur Plattformregulierung
- Recherche | KI-Chatbots im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen: Zwischenergebnisse im Vorfeld der Wahlen | Schlussbericht | Oktober/Dezember 2023
- Position | Der Bundesrat macht (endlich) den Auftakt für die Regulierung von Facebook, Twitter & Co. | 5. April 2023
- Blog | Algorithmen: Praktische Informationsmanager oder manipulative Blackbox? | 21. Dezember 2022
- Position & Joint Statement der Zivilgesellschaft | Jetzt Plattformen regulieren | 21. Oktober 2022
- Blog | Ein Leitfaden zum Digital Services Act: Das neue EU-Gesetz soll den großen Tech-Konzernen Zügel anlegen | 12. September 2022
- Story | Facebook demontiert CrowdTangle: Mehr Transparenz durch schlechteren Datenzugang? | 25. August 2022
- Position | Verhandlungen der EU zum AI Act und zum DSA in vollem Gange | 13. April 2022
- Position | Anhörung zur Plattformregulierung im Parlament | 1. März 2022
- Story | Nach Drohungen von Facebook: AlgorithmWatch sieht sich gezwungen, Instagram-Forschungsprojekt einzustellen | 13. September 2021