
Der KI-Aktionsgipfel: eine verpasste Gelegenheit?
Letzte Woche waren Angela Müller, die Geschäftsleiterin von AlgorithmWatch CH, und Matthias Spielkamp, der Geschäftsführer von AlgorithmWatch, beim internationalen KI-Aktionsgipfel in Paris. War der Gipfel mehr als eine ununterbrochene Big-Tech-Party, bei der milliardenschwere Versprechen gemacht wurden? Hier teilen sie ihre Eindrücke.

Erst einmal bleibt festzuhalten, dass die Nachhaltigkeit von KI endgültig zu einem wichtigen Thema in der internationalen Politik geworden ist. Kritische Stimmen weisen immer wieder darauf hin, dass die Entwicklung und der Einsatz von KI in Einklang mit den planetaren Grenzen gebracht werden müssen. Das heisst, dass wir jetzt handeln müssen.
In diesem Sinne begrüssen wir Initiativen wie CurrentAI, die sich dafür einsetzen, dass KI dem Gemeinwohl dient, Anbieter für ihre Produkte haften und sie sie nachhaltig gestalten – damit wir nicht irgendwann unsere Bedürfnisse an den Verbrauch von KI anpassen müssen. Es stimmt uns optimistisch, dass auch Geld in solche Projekte fliesst, und wir hoffen, dass durch sie ein KI-Ökosystem entstehen kann, das allen zugutekommt und nicht nur wenigen.
Dann gab es auf dem von der französischen Regierung veranstalteten Gipfel eine Lawine von Projektankündigungen, hinter denen Millionen und Milliarden Euro stecken. Wir sind sehr besorgt darüber, dass viele von ihnen demselben Muster folgen: „Wir brauchen mehr KI und grössere Modelle. Dazu brauchen wir eine grössere Infrastruktur. Das lassen wir uns einige Milliarden kosten. Diese ganzen Regularien stehen uns aber im Weg. Und die Nachhaltigkeit von KI ist natürlich ganz wichtig, aber auch kein grosses Problem, weil wir ja für den Energiebedarf die super saubere Atomtechnik haben.“ Macron hat es im Prinzip auf den Punkt gebracht, als er in Anlehnung an Trump sagte: «Plug, baby, plug!» (Ja, das waren seine Worte.)
Das ist insgesamt nichts Neues. Es ist der altbekannte Reflex, alles so machen zu wollen wie die USA. J.D. Vance hat also bei seinem Paris-Besuch auch gesagt, dass ihm besonders die spürbare Tendenz zur Deregulierung gefallen habe.
Leider hat auch die «Coalition for Sustainable AI» diesen Ansatz gewählt. Dieser Zusammenschluss von verschiedenen Unternehmen und Organisationen wurde beim Gipfel bekanntgegeben. Das Gründungsdokument zeigt eindeutig, dass angesichts der Klimakrise noch immer Scheinlösungen hoch im Kurs stehen, die bloss nicht als Verpflichtungen missverstanden werden sollen. AlgorithmWatch nimmt grundsätzlich nicht an so einer leeren Symbolpolitik und Augenwischerei teil. Solche Initiativen müssen beweisen, dass sie wirklich etwas bewirken wollen.
Die Frage ist doch, welche KI wir wollen. Was können wir tun, damit die Menschheit nicht ihre ganze Hoffnung auf KI setzt und ihr ganzes Geld in immer grössere Modelle steckt, die gewaltige Mengen an Wasser und Energie verbrauchen und von Menschen trainiert werden, die unter prekären Bedingungen arbeiten müssen – nur damit letzten Endes doch nur ein paar Grosskonzerne und ihre Investoren davon profitieren?
Statt Big Tech zu hofieren und immer mehr Geld und Ressourcen für KI aufzuwenden, plädieren wir dafür, die Entwicklung und den Einsatz von KI mit wirksamen Massnahmen tatsächlich an die planetaren Grenzen anzupassen und etwas gegen die Machtkonzentration zu tun, die die technologische Entwicklung herbeigeführt hat. Wir wollen, dass KI tatsächlich dazu beiträgt, notwendige und nachhaltige Lösungen für gesellschaftliche Probleme und Innovationen im öffentlichen Interesse zu finden. Solche Ansätze gibt es nämlich. Überbordende «General Purpose»-KI-Modelle helfen aber nicht dabei, sie konsequent weiterzuverfolgen. Damit hätten sich die Teilnehmer*innen in Paris beschäftigen sollen.
Beim Gipfel hätte es die Gelegenheit gegeben, der «Je grösser, desto besser»-Mentalität der Big-Tech-Konzerne etwas entgegenzusetzen, die ein Ausdruck für ihren Machthunger ist. Diese Gelegenheit wurde verpasst. AlgorithmWatch arbeitet aber weiter daran, zusammen mit vielen anderen auf der ganzen Welt. Wir sind deshalb einer anderen Koalition aus über hundert zivilgesellschaftlichen Organisationen beigetreten, der es mit der Nachhaltigkeit von KI ernst ist. Wir bitten alle, die unsere Ziele teilen: Abonniert unsere Newsletter, lasst Politiker*innen wissen, was Ihr von ihnen erwartet, unterstützt unsere Kampagnen oder spendet uns. In der letzten Woche wurde deutlich, dass die Weltsicht von Big Tech über den Atlantik geschwappt ist. Wir sind auf jede Unterstützung angewiesen, um dagegen anzukämpfen.