Gewerkschafter im Interview

«Wenn Arbeitgeber realisieren, dass algorithmische Systeme nur mit Akzeptanz der Arbeitnehmenden funktionieren, besteht Offenheit für den Einbezug.»

Wenn Algorithmen und Künstliche Intelligenz von Unternehmen eingesetzt werden, etwa zum Kontroll- und Leistungsmanagement oder der Prozessoptimierung, kann dies massive Auswirkungen auf Mitarbeitende haben. Wie Gewerkschaften und Arbeitgeber auf das Thema reagieren erläutert Daniel Hügli, Geschäftsleitungsmitglied und Leiter Sektor ICT bei der Gewerkschaft syndicom, im Interview.

Fotomontage: AlgorithmWatch CH, Foto: syndicom

Bettina Dürr: Im Projekt «Analytics for the People? Was Algorithmen am Arbeitsplatz für Rechte und Mitbestimmung bedeuten» haben wir uns damit befasst, wie man die Beteiligung der Arbeitnehmenden stärken kann, wenn algorithmische Systeme eingesetzt werden. Was hast du daraus gelernt?

Daniel Hügli: Den Unternehmen würden bereits heute zahlreiche algorithmische Systeme zur Verfügung stehen. Viele werden jedoch (noch) nicht eingesetzt. Gleichzeitig sind die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmenden häufig nicht ausreichend verankert und auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen weisen Lücken auf. Deshalb ist für die Arbeitnehmenden jetzt der richtige Zeitpunkt, dass sie sich in Bezug auf algorithmische Systeme ermächtigen. Beispielsweise auch mit Kursen des gewerkschaftlichen Bildungsinstituts Movendo. Und wir werden die Erkenntnisse schon jetzt in Verhandlungen mit Unternehmen einfliessen lassen, zum Beispiel bei Gesamtarbeitsverträgen.

Wie reagieren in deiner Wahrnehmung die Arbeitgeber auf das Thema?  

Viele Arbeitgeber sind zuerst skeptisch, wenn die Gewerkschaft oder eine Arbeitnehmendenvertretung in diesem Bereich mehr Mitwirkung fordert. Sie befürchten, dass ihr Geschäftsmodell beeinträchtigt werden könnte. Wenn sie aber realisieren, dass die Einführung und der Einsatz solcher Systeme nur mit der Akzeptanz der Arbeitnehmenden funktioniert, besteht durchaus eine Offenheit für den Einbezug. Wir müssen mit Nachdruck insistieren, dass die Arbeitenden im Loop sind («workers-in-the-loop»).

Nicht alle Gewerkschaften haben sich schon so intensiv mit den Auswirkungen von algorithmischen Systemen auf Arbeitnehmende auseinandergesetzt wie syndicom. Wo siehst du sinnvolle Anknüpfungspunkte für eine Gewerkschaft, um den Einstieg in dieses Thema zu finden?

Das Thema der Überwachung am Arbeitsplatz ist für alle Gewerkschaften prioritär und hat mit der Zunahme der Arbeit im Homeoffice sogar noch zugenommen. Deshalb haben alle Gewerkschaften über diese Einsatzmöglichkeit algorithmischer Systeme einen Zugang zum Thema. Zudem ist der Arbeitnehmendenschutz bei allen Gewerkschaften höchst relevant. Gerade aufgrund der Anwendung algorithmischer Systeme könnte eine zusätzliche Gefährdung entstehen.

Was braucht es deiner Meinung nach über Mitwirkung hinaus, um die Rechte der Arbeitnehmenden im Rahmen der digitalen Transformation zu schützen oder sogar zu stärken – und wie können Arbeitnehmende dazu beitragen?

In Sozialpartnerschaften sind die Gesamtarbeitsverträge das wirkungsvollste Instrument. Für die anderen Erwerbstätigen braucht es zusätzliche Vereinbarungen oder Regulierungen. Die Anbieter solcher Systeme sind beispielsweise in die Pflicht zu nehmen und die Unternehmen müssen zwingend Rechenschaft ablegen. Arbeitnehmende können dabei auch als Teil der Zivilgesellschaft politischen Druck erzeugen!

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